"Hobby mit positivem Nebeneffekt"

BZ-INTERVIEW mit Patrick Winterhalter vom Müllheimer THW über Katastropheneinsätze und Nachwuchssorgen.

MÜLLHEIM. Das Technische Hilfswerk in Müllheim ist nicht nur zur Stelle, wenn im Großraum Müllheim ein Unglück passiert, sondern leistet auch im Ausland immer wieder Hilfe, etwa beim Brückenbau nach Hochwasserkatastrophen. Unser Mitarbeiter Volker Münch hat beim THW-Ortsbeauftragten Patrick Winterhalter nachgefragt, wie es um den Müllheimer Ortsverband steht, wie er mit anderen Hilfsorganisationen zusammenarbeitet und wie er dem allseits beklagten Nachwuchsmangel begegnet.

BZ: Viele Organisationen klagen heute über rückläufige Mitgliederzahlen. Wie sieht es beim THW-Ortsverband Müllheim aus?

Winterhalter: Aktuell ist die Entwicklung im THW nicht oder nur sehr gering rückläufig, so dass wir nicht über Personalsorgen klagen müssen. Auch der Nachwuchs funktioniert nach wie vor sehr gut, so dass wir aus dem eigenen Nachwuchs unsere Einsatzkräfte rekrutieren können. Jedoch sehe ich die Entwicklung in der Zukunft leider eher kritisch.

BZ: Kennen Sie die Gründe für diesen Trend?

Winterhalter: Aus meiner Sicht liegt einer der Gründe darin, dass sich viele Leute nicht oder wesentlich weniger ehrenamtlich engagieren als in der Vergangenheit. Oftmals liegt einer der Gründe auch in der knapper werden Zeit und der Tatsache, dass viele Personen in ihrer Freizeit keine Verpflichtungen eingehen möchten.

BZ: Wie werden Sie den sinkenden Mitgliederzahlen künftig begegnen?

Winterhalter: Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren recht erfolgreich in der Jugendarbeit und möchten dies auch in der Zukunft weiter tun. Ein weiterer Schritt ist sicher auch, Personen in der Altersklasse von 45 bis 65 Jahren anzusprechen. Hier haben wir eine sehr geringe Personaldecke, da viele Helferinnen und Helfer in der Familie und im Job oft sehr eingebunden sind und daher wenig oder keine Zeit für ehrenamtliches Engagement im THW haben.

BZ: Was macht Ihrer Ansicht nach den Reiz an der Arbeit im THW aus?

Winterhalter: Für mich persönlich ist das THW ein Ausgleich zur täglichen Arbeit und auch eine Art Hobby mit dem positivem Nebeneffekt, dass man Leuten in Not- oder Katastrophensituationen, egal ob im In- oder Ausland, helfen kann. Zudem hat man die Möglichkeit, Technik beherrschen zu lernen und technische Geräte zu bedienen. Es ist dabei egal, ob dies beim Bergungseinsatz nach Bränden oder Explosionen ist, oder beim Bau von wichtigen Verkehrsverbindungen wie etwa beim Brückenbaueinsatz nach einem Hochwasser.

BZ: Wann waren die Müllheimer zum letzten Mal im Ausland tätig, und was konnte dort geleistet werden?

Winterhalter: Der letzte größere Auslandseinsatz geht auf das Jahr 1999 zurück, als mehrere Brücken in Mittelamerika durch den Ortsverband Müllheim nach dem Hurricane "Mitsch" gebaut wurden. Jedoch auch das nähere europäische Ausland gehört zum THW-Einsatzgebiet, wie Einsätze in Südfrankreich nach dem Hochwasser 2009 oder im grenznahen Frankreich in den letzten Jahren gezeigt haben. Hier ist sicher noch Potenzial, um mit unseren Nachbarn erfolgreich in Notsituationen zusammenzuarbeiten.

BZ: Der Müllheimer Ortsverband genießt bundesweit einen guten Ruf wegen seiner Verdienste beim Brückenbau. Was macht hier den Erfolg aus?

Winterhalter: Aus meiner Sicht sind hier zwei Punkte ausschlaggebend. Sicher gehört die berufliche Vorbildung und Erfahrung aus den Bereichen Bauingenieurwesen und Architektur dazu. So haben vor allem Wolfgang Ertel als Bauingenieur und ehemaliger Ortsbeauftragter und Patrick Weisser als Gruppenführer den Brückenbau in Müllheim groß gemacht. Auch ich als Architekt fühle mich dem Brückenbau sehr verbunden und kann so die erfolgreiche Arbeit fortsetzen. Jedoch ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einsatzmannschaft, die im Brückenbaueinsatz zusammenpassen und reibungslos zusammenarbeiten muss. Hier können wir in Müllheim stolz sein, da wir sowohl sehr erfahrene Leute als auch lernwilligen Nachwuchs in einer Gruppe zusammenbringen.

BZ: Welche Rolle spielt die Nachwuchsarbeit für die Zukunft des Ortsverbandes?

Winterhalter: Die Nachwuchsarbeit ist immens wichtig. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass wir aktuell im Oktober 2013 eine Ausbildungsgruppe mit sechs Personen aus der eigenen Jugend begonnen haben. Da sind jetzt schon Leute dabei, die zu Führungskräften und wichtigen Helferinnen und Helfern ausgebildet werden.

BZ: Das THW hat seit vielen Jahren einen festen Platz in den Reihen der regionalen Hilfsorganisationen. Wo profitieren THW und die anderen Hilfsorganisationen voneinander?

Winterhalter: Es ist sehr schön zu sehen, dass das Zusammenspiel der Hilfsorganisationen im Großraum Müllheim sehr gut funktioniert und wir uns als THW als die Einsatz- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes einbringen können. Das war nicht immer so. Aber durch gemeinsame Ausbildungen, Veranstaltungen und Einsätze profitieren alle Hilfsorganisationen von den Einsatzmöglichkeiten und Gerätschaften der jeweils anderen Organisationen. Ich denke Veranstaltungen wie der Tag des Helfers aber auch gemeinsame Einsätze, egal ob Hochwasser- und Brandeinsätze oder auch größerer Unfälle wie das Zugunglück, zeigen dies immer wieder.

BZ: In der Vergangenheit wurde immer wieder von einer Konkurrenzsituation zwischen THW und den Feuerwehren gesprochen. Wie beurteilen Sie das aus heutiger Sicht?

Winterhalter: Früher glaubte man sowohl im THW als auch bei den Feuerwehren, dass man sich einander etwas wegnimmt und in Konkurrenz zueinander steht. Aber dies ist ganz und gar nicht der Fall! Das Gegenteil ist der Fall, man ergänzt sich und profitiert voneinander, sowohl in Einsätzen als auch in Ausbildungsveranstaltungen. Die Kameradschaft und Partnerschaft, die das THW und die Feuerwehr bei uns in Müllheim und der Region pflegen, ist vorbildlich und nicht nur ein Gewinn für die Organisationen selbst, sondern auch für die Bevölkerung, die in Notfällen nur davon profitieren kann.

BZ: Der Müllheimer Ortsverband feiert in drei Jahren sein 50-jähriges Bestehen. Wo sehen Sie den Ortsverband mit Blick auf Mitgliederstärke, Ausrüstung und Aufgaben bis 2017?

Winterhalter: Ich erwarte mir für die Zukunft eine zahlenmäßig stabile Einsatzmannschaft und eine weiterhin gute Jugendarbeit. Nachdem wir in den letzten Jahren durch weitreichende Investitionen im Bereich von Fahrzeugen und Gerätschaften sehr gut aufgestellt sind, ist das Ziel für die kommenden Jahre, die Ausbildung zu intensivieren. Dies gilt vor allem auch für den Bereich von Abstütz- und Sicherungsmaßnahmen von Bauwerken nach Bränden, Explosionen oder Erdbeben, ebenso wie für den Bereich des Brückenbaus, um auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein und für Notfälle gerüstet zu sein. Zudem gilt es, die Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen fortzusetzen und weiterhin zu intensivieren, um eine noch bessere Verzahnung zu erreichen. Ziel wäre es, Beschaffungen noch besser gemeinsam abzustimmen oder sogar gemeinsam durchzuführen. Dies ist zwar Zukunftsmusik, aber wer weiß.


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